Baukästen, Burgherren und Bernd, das Brot: Was die Deutsche Spielzeugstraße in Thüringen zu bieten hat

Pressereise – Man könnte ja gerade in Hinblick auf Weihnachten davon ausgehen, dass die Deutsche Spielzeugstraße überall da verläuft, wo Christkind und Weihnachtsmann besonders aktiv sind und viele Puppen, Modell-Eisenbahnen und Gesellschaftsspiele hinterlegen. Doch nein – die Deutsche Spielzeugstraße verläuft da, wo viele dieser Weihnachtsgeschenke für Kinder hergestellt werden. Sie ist eine insgesamt 300 Kilometer langen Ferienstraße durch Franken und Thüringen und verbindet Orte und Landschaften, in denen Attraktionen und Unternehmen, die sich allesamt mit Spielzeug beschäftigen, angesiedelt sind, vom Playmobil Funpark in Zirndorf über die Heunec-Spielwarenfabrik in Neustadt hin zum Erfurter Puppenstubenmuseum. In dieser Gegend gibt es eine Jahrhunderte alte Tradition der Spielzeugherstellung. Wir haben Anfang des Monats den Thüringer Streckenabschnitt der Deutschen Spielzeugstraße zwischen Sonneberg und Erfurt bereist und dabei tolle Betriebe und Institutionen kennengelernt, die sich allesamt dem Spielzeug widmen.

Unseren ersten Halt machten wir bei „Volk’s Baukasten“ in Sonneberg. (Der grammatisch falsche Apostroph im Firmennamen ist übrigens Absicht, weil der Name „Volks-Baukasten“ wohl bei der Anmeldung des Patents durchgefallen wäre.) Inhaber Hubert Volk, der bislang in seinem Betrieb Kunststoffe verarbeitet und andere Spielzeughersteller damit beliefert hatte, wollte endlich sein eigenes Ding machen – und hatte vier Jahre lang an der Entwicklung eines neuartigen Konstruktionsbaukastens gearbeitet. Sonneberg, das ist uns jetzt klar, ist nicht nur wegen der vielen Traditionsunternehmen wie Martin Bären eine Spielzeugstadt – hier passiert auch viel Neues.

Volk’s Baukasten – Spielzeug für Tüftler und Denker

Hubert Volk jedenfalls zeigte das Ergebnis seiner Tüfteleien erstmals 2015 auf der Spielwarenmesse in Nürnberg, und es konnte sich sehen, beziehungsweise: bespielen lassen: Volk’s Baukasten sind Konstruktionsbaukästen, die sich bereits für Kindergartenkinder eignen. Hubert Volk findet es wichtig, Kinder bereits im Vorschulalter für die Welt des Bauens und Konstruierens zu begeistern – auch als Gegenpol zur fortschreitenden Digitalisierung, in der ansonsten fast nur blinkendes, kreischendes, in jedem Fall nur digital gesteuertes Spielzeug neu erfunden wird, und nicht solches, das die Kinder darin unterstützt zu tüfteln und zu schrauben.

„Dabei tun sie das so gern und entwickeln ihre motorischen Fähigkeiten dabei“, sagt Volk. Das haben auch Kindergarten- und Schulausstatter erkannt, die das Produkt gleich einkauften – und das nicht nur in Deutschland, sondern etwa auch in Osteuropa. Auch meinen Kindern gefällt das Konstruieren: Sie stürzten sich im Showroom sogleich auf Volks Bauteile und konstruierten mit den Elementen in handlicher Größe Kräne und Autos. Sie wollten sich nicht einmal vom neuen, lieb gewonnenen Spielzeug trennen, als wir in die heiligen Fabrikhallen schauen durften. Als sie dort aber aus Einzelteilen eine Kiste mit Bausatz für einen Kran packen dürften, waren sie gleich wieder begeistert – und noch mehr darüber, dass sie das Gepackte mitnehmen durften. Danke dafür!

Hubert Volk (zweiter von links), zwei seiner Kinder, die ebenfalls im Betrieb arbeiten und ich (rechts) in den heiligen Hallen von Volk’s Baukasten.

Ali Kurt Baumgarten: Vom Expressionisten zum Spielzeug-Designer

Wir fahren ein paar Kilometer weiter die Spielzeugstraße entlang, in die Gemeinde Judenbach, die ebenfalls im Landkreis Sonneberg liegt. Hier war ein besonderer Künstler ansässig: Ali Kurt Baumgarten, der als der „letzte Expressionist Deutschlands“ gilt. Seine Biographie liest sich anfangs wie die weltberühmter Künstler: Er studierte an der Akademie der bildenden Künste in München, Karl-Schmitt-Rottluff, Gründungsmitglied der Künstlergruppe „Brücke“, förderte ihn. Alis Bilder lösten Emotionen aus, sie schrien von der Leinwand herunter.

Foto: Nadine Luck, aus dem Ali-Kurt-Baumgarten-Museum/Stiftung Judenbach

Und dann war seine Künstlerkarriere plötzlich auf Eis gelegt: Die Nazis kamen an die Macht und erteilten ihm Berufsverbot. Nach dem Zweiten Weltkrieg funktionierte das Dasein als Kunstrebell ebenfalls nicht, denn auch in der DDR waren Ali Baumgartens Bilder unerwünscht. Was er mit der Spielzeugstraße zu tun hat? Der Judenbacher musste das Überleben seiner Familie sichern, denn mit der Kunst war es nicht mehr möglich. Er schulte also um und wurde zum Spielzeugdesigner, und das mit größtem Erfolg: Millionen Kinder auf der ganzen Welt liebten seine Tiere aus Holz, geblümtem Malimostoff und Plaste.

Foto: Nadine Luck, aus dem Ali-Kurt-Baumgarten-Museum, Stiftung Judenbach

Dennoch aber war es nicht seine Berufung, Spielzeug zu schaffen. Nach der Wende, also gut 40 Jahre nach Kriegsende, führte Ali fort, was er früher aufgeben musste: Er schuf einmal mehr expressionistische Werke und versuchte, die verlorene Zeit nachzuholen. Erstaunliche Kunst wurde geschaffen.

Foto: Nadine Luck, aus dem Ali-Kurt-Baumgarten-Museum, Stiftung Judenbach

Die Stiftung Judenbach zeigt im Ali-Kurt-Baumgarten-Museum seine Bilder, die frühen und die späten – und auch seine Spielzeug-Kreationen, die, wie wir sehen, mit großem künstlerischem Know-how entworfen wurden. Wer Glück hat, trifft hier, im Museum an der Alten Handelsstraße, auch den Enkel oder Urenkel Alis, die gerne durch die Sammlung führen und auch persönliche Anekdoten des berühmten Vorfahren erzählen.

Im ersten Stock des Museums besichtigen wir außerdem die Ausstellung Weidner: Werke aus den Spielzeugmanufakturen Judenbachs, die in den 60-er Jahren des letzten Jahrhunderts ihre Blütezeit hatten, sind hier zu bewundern. Damals gab es 66 entsprechende Betriebe im nur 1000 Menschen zählenden Ort. Vieles, was die Leute geschaffen haben, sind mechanische Blech-Spielfiguren, die mit einem Schlüssel aufgezogen lustige Kunststückchen machen. Ein schönes Sammelsurium ist das.

Foto: Nadine Luck, aus der Sammlung Weidner, Stiftung Judenbach

Waltershausen: 600 Puppen bewohnen Schloss Tenneberg

Unsere Reise geht weiter, wir fahren insgesamt 120 Kilometer bis nach Waltershausen. Schloss Tenneberg ist unser Ziel, eine mittelalterliche Anlage der früheren Thüringer Landgrafen. Begrüßt werden wir von einem Mann in Burgvogtmontur – es ist Mike Raimann, der Leiter des Schlossmuseums, der uns hinter den Mauern durch eines der größten Puppenmuseen Deutschlands führt. Zuerst sehen wir allerdings die frisch rekonstruierte Thielemann-Orgel in der Kapelle des 1176 erstmals urkundlich erwähnten Schlosses und den üppigen barocken Rittersaal. Der heißt so, weil seine Decke zwischen 1715 und 1723 vom Künstler Johann Heinrich Ritter gemalt wurde. Alles hier ist komplett aus Holz, jede Büste, jedes Ornament. 

Seit 1929 aber ist hier ein Museum, seit 2007 gibt es Dauerausstellungen zu den Themen: Stadtgeschichte, bürgerliches Wohnen und die Geschichte der Waltershäuser Puppen- und Spielzeugindustrie.

Von Kloßfressern und Puppen mit Grammophon im Bauch

 Wir lernen zwischen insgesamt 600 Puppen, dass in Waltershausen das Kugelgelenk für Puppen erfunden wurde, über das sich auch heute noch die trendigen Barbies dieser Welt freuen. Auch die erste sprechende Puppe der Welt sehen wir hier, die 1890 ein Grammophon in den Bauch bekommen hatte und „Alle Vöglein sind schon da“ singen kann. Lustig ist auch ein Kloßfresser, eine Figur mit besonderer Mechanik, die immer noch funktioniert. Wenn der Kloßfresser einen Kloß bekommt und ihn verschluckt, gehen seine Augen bereits wieder begierig gen Schüssel. Raimann ist ein wunderbarer Führer, der uns auch – ohne Kinder – einen Blick auf eine Ausstellung von Horrorpuppen gewährt, wie man sie aus Gruselschockern kennt. Es fühlt sich an, als würde uns ein echter Mensch aus dem Mittelalter das Schloss zeigen – wir könnten ihm ewig zuhören.

Erfurter Puppenstubenmuseum: Beim Metzger, in der Apotheke, in der Bücherei

Allerdings: Wir müssen weiter, es ist schon spät – und wir haben am nächsten Tag auch noch etwas vor: Dann geht es weiter nach Erfurt ins Puppenstubenmuseum. Steffi Rebettge-Schneider zeigt in kleinen Räumen ihre eigene Sammlung aus Exponaten aus der Zeit zwischen 1890 und 1980, die sie über viele Jahre zusammengetragen hat.

Insgesamt 180 Puppenstuben besitzt sie, im Wechsel zeigt sie immer rund 80 Stück davon. Wir lernen, dass Mädchen früher komplett eingerichtete Puppenstuben bekommen haben, um sich auf den Haushalt vorzubereiten, und Jungs Kaufläden, um ihren Sinn fürs Geschäftemachen zu entwickeln. Es macht uns großen Spaß, auf die Details in den Puppenhäusern zu achten, so eine Puppenstube kommt uns vor wie ein dreidimensionales Wimmelbild mit vielen Einzelteilen. Welche Teller sind denn da auf dem Tisch, wie sieht die Tapete aus? Interessant ist auch, dass es spezielle Läden als Puppenstuben gab – eine Apotheke, eine Metzgerei, eine Bücherei. Und da fällt uns ein, dass es Vergleichbares auch heute gibt, etwa von Playmobil: auch da gibt es eine Schule, Kaufläden, ein Schwimmbad …

Anschließend besichtigen wir Erfurt und staunen, dass auch die Häuser der Stadt Puppenstubencharakter haben – herausgeputzt, wie sie sind. Zauberhaft! Ein Highlight ist für uns noch der Weihnachtsmarkt, einen schöneren und kinderfreundlicheren haben wir noch nicht gesehen. Kinderfreundlich sind auch weitere Sehenswürdigkeiten der Stadt: Überall in der Stadt sind Figuren zu finden, die die Kinder aus dem hier in Erfurt ansässigen Kika-Kanal kennen, und so ist ein Selfie-Shooting mit Bernd, das Brot, angesagt. Auch die Geschäfte Erfurts sind einladend, und so shoppen wir ein bisschen, auch für die Kinder, denn: unsere persönliche Spielzeugstraße bei uns daheim will ja auch noch vergrößert werden.


Wenn Euch die weiteren Streckenabschnitte der Spielzeugstraße interessieren, lest gerne die Berichte unserer vorhergehenden Reisen: Im April sind wir von Rödental bis Sonneberg gereist, im Juli von Zirndorf bis Fürth. Oder, noch besser: Ihr macht Euch einfach selbst auf den Weg.

Gute Fahrt und viel Spaß beim Spielen!

Ein Kommentar bei „Baukästen, Burgherren und Bernd, das Brot: Was die Deutsche Spielzeugstraße in Thüringen zu bieten hat“

  1. Wow, das hört sich ja echt interessant an und die Bilder und die Puppen sind toll.
    Liebe Nadine, ich wünsche dir schon mal ein schönes und ruhiges Weihnachtsfest. Genießt die Tage und lasst es euch gut gehen. Ich hoffe das Christkind lässt eure Kinder strahlen und sie glauben noch lange an diesen Zauber.
    Bis dann und LG Nicole

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