Damit hätte ich nicht gerechnet. Als mein Sohn größer wurde, merkte ich schon, dass er andere Bedürfnisse und Interessen hat als seine Schwester: Statt Barbies sammelt er Gummi-Dinos, statt fürs Basteln interessiert er sich fürs Kämpfen – und was die Klamottenfrage betrifft, ist es mit ihm so viel leichter als mit seiner wählerischen Schwester; dafür ist sie relaxter, wenn es ums Essen geht. Jedes Kind ist anders, und Jungs sind wiederum oft anders (geprägt) als Mädchen. Es hätte mich also nicht komplett umhauen müssen, als er sagte: „Mama, ich will zum Fußball.“ Hat es aber.
Die Freunde „sind schuld“
Mein Mann ist der Typ Schöngeist, von ihm hat unser Sohn die Begeisterung fürs runde Leder nicht; ich bin der Typ Wochenendausflügler – mein Bedürfnis, Sams- oder Sonntagnachmittage am Rand eines gemähten Riesenrasens zu verbringen, ist eher gering ausgeprägt. Doch: Die Jungsclique, die mein Sohn im Kindergarten um sich schart, scheint fast komplett im örtlichen Fußballverein zu sein, in der jüngstmöglichen Mannschaft. Und das, obwohl das Training im Winter zu fast nachtschlafender Uhrzeit (von 17.30 bis 18.30 Uhr) stattfindet, zumindest für 4- und 5-Jährige. Im Sommer ist es früher – allerdings teilweise auch bei brütender Hitze.
Ich konnte meinem Sohn seinen Wunsch hinzugehen, nicht abschlagen, nachdem der LeoFelixJakobJohnNiklasThomas auch dort sein darf. Auch wenn mein Mann nun ein bisschen befürchtet, dass der Sohn nicht in seine Schriftsteller-Fußstapfen tritt und ich, dass ich nie wieder Wochenendausflüge in die Berge machen kann. Doch immerhin ist unser Nachwuchskicker in dem Jahr geboren, in dem Deutschland in Brasilien Fußballweltmeister wurde.
„Schätzchen vor, schieß‘ ein Tor!“
Und mein Sohn hat, was zu erwarten war, viel Spaß – mal abgesehen davon, dass er schon beim ersten Training einen Ellenbogen ins Auge gekriegt hat (Tooooor!). Beim zweiten Training war er indes selber treffsicher, er schoss sein erstes Tor – und ich hab’s nicht gesehen (Buhuuuu!), weil der Papa mich am Spielfeldrand vertreten hatte. Inzwischen rennt der Sohn schneller, als wir ihm das je zugetraut hätten. Und er ist stolz wie Oskar, wenn er genau wie Thomas Müller Schienbeinschoner tragen darf. Warum er nach dem Training weder Urkunde noch Pokal kriegt, versteht er allerdings nicht.
Ich wundere mich übrigens auch über mich selbst, denn ich bin tatsächlich völlig aus dem Häuschen, wenn mein Super-Sohn beim Training ein Tor schießt. Ich bin auch sicher: Sollte ihm das einmal bei einem echten Punktspiel gelingen, werde ich vor Stolz und Glück platzen. Bitte, eine Medaille für meinen Sohn! Was ist gegen solche Gefühle schon ein Langeweiler-Ausflug in die Pampa?