Ernsthaft? Im (Bayern-)Land der Dichter und Denker soll an den Grundschulen der Werken-, Kunst- und Musikunterricht zusammengekürzt werden, um auf dem Stundenplan mehr Platz für Deutsch und Mathe zu schaffen? Wie soll dann der für die Kinder nötige und beliebte Ausgleich zu den frontal unterrichteten Fächern stattfinden? Und dazu kommt: Während das bayerische Kabinett der Kultur nun auch in der Grundschule offenbar wenig Bedeutung beimisst, wird am heiligen Religionsunterricht nicht gerüttelt. Dabei belegt dieser in der dritten und vierten Klasse sagenhafter- und umstrittenerweise ganze drei Wochenstunden!
Mehr Deutsch und Mathe? Macht Sinn!
Zugegeben: Es macht vermutlich Sinn, in Sachen Deutsch und Mathe intensiver zu unterrichten: Die Pisa-Ergebnisse für Bayerns Schüler/innen sehen suboptimal aus, hier soll daher eine Bildungsoffensive her. Und klar ist auch: Der Schultag für die jüngsten Schüler/innen im Freistaat soll nicht weiter in die Länge gezogen werden. Also müssen anderswo Kürzungen her. Kunst? Musik? Ach, das braucht man später eh nicht. Hier kann man gut wegstreichen. Das mögen wohl die Politiker im Freistaat denken, sonst hätten sie nicht so entschieden.
Streichkonzert für den Musikunterricht
Ehrlich? Oder ist es nicht ein bisschen kurz gedacht, wenn man denen, die erst den richtigen Umgang mit Stiften und verschiedenen Materialien lernen müssen, den Kunst- und Werken-Unterricht eindampft? Also, der Feinmotorik meines Sohnes hat es nicht geschadet, zu basteln, zu stricken, mit Ton zu hantieren. Und Musik: Toll, wie die Kinder – hoch lebe das Gemeinschaftsgefühl – ein gemeinsames Lied getextet und es mit verschiedenen Instrumenten aufgeführt haben. Ganz ehrlich: Könnte man hier nicht ein bisschen findiger vorgehen und statt einem Streichkonzert für den Musikunterricht das Liedertexten auch als “Deutschlernen” bezeichnen und generell im Musikunterricht verankern? Und kann beim Werken nicht auch Material gemessen, gewogen und gezählt – also praktische Mathematik gemacht – werden? Will man bei uns echt die Fächer, die Kreativität fördern, eindampfen – in einem Land, das wachsen, dichten, denken will? Statt den Unterricht kreativer zu gestalten?
Religion ist den bayerischen Politikern heilig
Nicht angefasst fürs Streichkonzert im kommenden Schuljahr werden für Zusatz-Mathe und -Deutsch übrigens die Religionsstunden. Es sind in Klasse 3 und 4 in Bayern immerhin drei ganze Unterrichtsstunden pro Woche. Das zusätzlich zum in der dritten Klasse für katholische Schüler vorgesehenen privaten Kommunionsunterricht. Es ist so viel, dass zumindest im Unterricht meiner Kinder öfter auch mal Mandalas ausgemalt wurden. Aber – ha!: Dann findet halt hier in Religion auch mal etwas Kunst statt.
Religion ist (auch) Privatsache
Ich finde es wichtig, dass die Kinder über die Religionen Bescheid wissen – und die Wertevermittlung erfahren, die damit einhergeht. Ich bin aber sicher, dass das – analog zu Fächern wie “Geschichte” und “Natur und Technik” im Gymnasium auch in zwei Wochenstunden passieren kann, wenn die Zeit knapp bemessen sein soll. Und obwohl oder gerade weil ich katholisch bin, finde ich es gut und spannend, auch über die anderen Religionen zu lernen: Ein religionsübergreifender Werteunterricht, wie er in Berlin stattfindet und wo die Kinder nicht mehr nach religiöser Zugehörigkeit ihrer Familien getrennt werden – das käme mir auch für den Freistaat sehr zeitgemäß vor. Und vertieftes Wissen zum eigenen Glauben? Den können die Familien je nach Zugehörigkeit ihren Kindern privat vermitteln und sie über die tollen Angebote, die die Kirche auch jungen Menschen macht, erleben lassen, ganz ohne Zwang und ohne, dass es auf Kosten von Deutsch und Mathe in der Schule geht. Und von Musik und Kunst.