Kinder haben schon manchmal seltsame Hobbys. Zum Beispiel Wände mit Filzstift bemalen, wenn sie kleiner sind. Oder TikTok-Videos anschauen, wenn sie größer sind. Dass sich unsere neunjährige Tochter neuerdings in ihrer während des Lockdowns zugenommenen Freizeit nicht ausschließlich mit Roblox, Minecraft oder MovieStarPlanet beschäftigt, sondern auch eine neue Offline-Leidenschaft entwickelt hat, fand ich zunächst sehr begrüßenswert. Sie begann, Squishies zu basteln. Inzwischen hat sie eine immense Pop-its-Sammlung, und tradet, was das Zeug hält. Das alles als Eltern zu verstehen, akustisch wie inhaltlich, ist gar nicht so einfach. Dieser Beitrag ist aber ein Versuch, Squishies und Co. auch für die ältere Generation verständlich zu machen ;-).
Zunächst: Squishies sind Dinge, die man mit den Fingern genüsslich drücken und kneten kann, was auch dem vorpubertären Stressabbau dienen soll. Ein mit Zahnpasta gefüllter Luftballon ist zum Beispiel ein hervorragendes Squishie. Alternative Füllmittel gibt es reichlich, von Reis über Watte bis hin zu einer selbst angerührten Speisestärke-Mischung.
Squishies in der englischen Wikipedia
Die deutsche Wikipedia kennt Squishies noch nicht, in der englischen findet man eine Definition: „Ein Squishy ist eine Art Stofftier aus einem speziell geformten weichen Polyethanschaum, das nach dem Zusammendrücken langsam in seine ursprüngliche Form zurückkehrt. Squishies werden in vielen verschiedenen Formen und Größen hergestellt, wie zum Beispiel Tiere, Früchte und Lebensmittel. Squishies haben ihren Ursprung in Japan und wurden im Frühjahr 2017 in den USA erhältlich. In den folgenden Jahren wurden die Spielzeuge auf der ganzen Welt populär und sind in den sozialen Medien (insbesondere auf Youtube und Instagram) sehr präsent“, heißt es in der Übersetzung.
Gegen Rauchen und Stress: Squishies
Wenn man weiter googelt, erfährt man, dass sich mit dem (Anti-)Stress-Ball oder Quetschball als Sonderform des Squishies auch schon die Wissenschaft beschäftigt hat. Der Sportpsychologe Jürgen Beckmann von der Technischen Universität München hat festgestellt, dass das Quetschen eines Stressballs tatsächlich Stress abbaut, weil durch das manuelle Ablenkungsmanöver Denkblockaden gelöst werden. Und sogar das Bundesgesundheitsministerium legt seinem Start-Paket für angehende Nichtraucher einen Stressball bei. Wenn der Stressball auch hilft, gar nicht mit dem Rauchen anzufangen, dann ist das Quetschen sicher eine gute Sache. Wenn da nicht die schädlichen Inhaltsstoffe wären, die eine andere Untersuchung bei dem Plastikspielzeug festgestellt hat, weshalb sie in Dänemark schon vom Markt genommen wurden.
Und was sind Pop-its?
„Squishies“ sind nicht zu verwechseln mit „Pop-its“, die dem gleichen Zweck dienen, wo aber mit den Fingerspitzen kleine Plastikblasen eingedrückt werden, bis es p(l)oppt. Fragt man Google, was ein Pop-it ist, erhält man die Antwort: „Ein Spielzeug zum Stress abbauen, mit dem du unbegrenzt ploppen kannst. Es ist einfach unmöglich, nicht darauf herumzudrücken!“ Pop-its kann man in vielen bunten Farben kaufen, sie kommen in der freien Natur vor in Form von Luftpolsterfolie (auch Knallfolie oder Blasenfolie genannt), die als Umverpackung für empfindliches Material dient und auch bei Erwachsenen den unwiderstehlichen Zwang auslöst, diese Luftblasen mit den Fingern einzudrücken. Doch die Blasen sind natürlich alle irgendwann verbraucht, während ein Pop-it endlos geploppt werden kann. Auch die Innenverpackung einer Toffifee-Schachtel, in der sich die klebrigen Plombenzieher befinden, dienen als DIY-Pop-its.
Poppt es?
Jedenfalls: Sämtliche Alltagsgegenstände werden plötzlich danach bewertet, ob sie sich als Squishie oder Pop-it eignen. „Das fühlt sich wie ein Pop-it an“, ruft das Kind begeistert, als es auf die Tasten eines alten Handys drückt. Oder es ruft: „Was für ein cooles Squishie“ beim Anblick eines Reis-Kochbeutels. Es gibt sogar eine App, die auf dem Bildschirm des Smartphones das Drücken eines Squishies simuliert – inklusive aller dazugehöriger Glibber-Geräusche.
Tatsächlich scheint dieser Trend bei Kindern und Jugendlichen weiter verbreitet zu sein, als der unbedarfte Elternteil eins oder zwei ahnt. Wenn man die Spielwarenabteilung der Drogerie Müller genauer betrachtet, findet man dort nämlich ganze Regale mit diesem Plastikzeug, made in China, das deutlich macht, warum in Drogerie das Wort Droge steckt. Nichts wünscht sich unsere Tochter derzeit sehnlicher als einen Besuch bei Müller. Im Kinderzimmer stehen mehrere Kartons, in denen die Squishies und Pop-its säuberlich sortiert und geordnet sind.
Das höchste Spieleglück: Zu traden, ohne gescammt zu werden
Die scheinbar nutzlosen Dinge kann man nicht nur sammeln, sondern auch tauschen. Allerdings nennen die Kinder das „traden“ und haben ein ausgeklügeltes Handelssystem entwickelt (oder bei Youtube gelernt), wie man feilscht und bietet, ohne sich dabei „scammen“ zu lassen. (Man muss als unbeteiligter Beobachter nicht alles verstehen.) Traden kann man übrigens auch, wenn keine Freundin da ist und der kleine Bruder keine Lust hat, mit sich selbst, indem man die Rolle des Handelspartners einfach mit übernimmt. Das funktioniert genauso gut, wie wenn man bei den Playmobilfiguren zugleich die Räuber und Polizisten spielt.
Ein Hase als Squishie
Diese neuen Marotten scheinen tatsächlich weiter verbreitet zu sein, als man denkt. Kürzlich beim Urlaub auf dem einsamen Bauernhof in Südtirol spielten die Kinder mit einem Hasen. Das Mädchen aus Hannover streichelte über das Fell und rief begeistert: „Das fühlt sich an wie ein Squishie!“ Hoffentlich haben sie das Tier danach nicht als Pop-it gebraucht.
Sind Eure Kinder auch der Squishie- und Pop-it-Sucht verfallen? Schreibt es in die Kommentare!
PS: Ein Self-made-Squishie könnt Ihr nach dieser Anleitung basteln!