Wenn gestresste Mamas ihr Kind aus dem Kindergarten abholen, landet gern der Zettel mit der Aufschrift „Ihr Kind braucht eine Mütze“ in der Handtasche, neben den Zetteln mit „Ihr Kind braucht neue Windeln“ und „Bitte an die fünf Euro für den Zoobesuch denken“. Die frisch gemalten Bilder des Kindes kommen auch dahin, ungesehen. Denn: In einer halben Stunde ist Kinderturnen, der Weg ist weit, an der Ampel Stau, und Parkplätze gibt es keine. Da bleibt auch keine Zeit, um gemeinsam mit dem Kind den Regenwurm auf dem Weg zum Auto zu bewundern. Ein ganz normaler Nachmittag nach der Kitaabholung? Zugegeben: Manchmal schon. Doch, so Ratgeber-Autorin und Dreifachmama Nathalie Klüver, das muss nicht so sein. In ihrem Buch „Afterwork-Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Kinder glücklich machst“ gibt sie inspirierende Tipps zu verschiedenen Alltagssituationen, damit die bisher stressigen Nachmittage zur Family-Quality-Time werden, von der Abholung bis zum Einschlaf-Ritual. Ich habe mit der Lübecker Autorin und Bloggerin („Ganz normale Mama“) – ganz entspannt – über ihre Strategien für einen gemütlicheren Alltag gesprochen.
Nathalie, du plädierst in deinem Buch für das „Weniger ist mehr“. Für Lesenachmittage statt Freizeitparkbesuche, für freies Spielen statt Violinekurs. Wie aber erkläre ich das meiner Zweitklässlerin, die voller Energie aus der Schule gerannt kommt und als Erstes fragt: „Was machen wir heute Schönes?“ Und dann, wenn ich ihr erklären will, dass wir heute einfach nur daheim spielen, sagt: „Langweilig!“?
Nathalie Klüver: Natürlich spricht nichts gegen Freizeitpark- oder Zoobesuche! Wir sind jedes Wochenende einen Tag am Strand und einen Tag im Wald, das haben wir quasi als Rituale, darum geht es ja auch im Buch, wie wichtig Rituale sind, um Ruhe in den Familienalltag einkehren zu lassen und eine Art Familienidentität zu schaffen. Man kann ja auch Unspektakuläres schön verpacken. Sich vornehmen, ein schönes neues Buch mit den Kindern zu lesen. Oder ein lustiges Experiment mit viel Zisch und Bumm zu machen. Oder einfach nur gemütlich in der Bäckerei einen Kakao zu trinken, um runterzukommen. Das ist alles nicht aufwändig, nicht super spektakulär und lässt genug Zeit fürs freie Spielen (und ja, auch für Haushalt und Hausaufgaben…) – und es ist etwas, was wir gemeinsam mit unseren Kindern machen. So schafft man Kindheitserinnerungen und wenn wir Glück haben, übernehmen es unsere Kinder auch später, wenn sie Kinder haben. So wie ich den Strandspaziergang und den Tag im Wald von meinen Eltern übernommen habe.
Die Kinder einfach mal eine Stunde länger in der Betreuung zu lassen, wenn es eng wird daheim, proklamierst du als Mittel gegen Stress. Was mach ich aber mit meinem schlechten Gewissen, wenn ich das Gefühl habe, die Kinder sitzen da doch nur die Zeit ab und warten darauf, dass die Mama
endlich kommt?
Nathalie Klüver: Da müsste man so einen Abschaltknopf haben, ich weiß! Aber wenn das schlechte Gewissen anklopft, sollte man es zurechtweisen und sich klar machen: Wenn wir jetzt voll gestresst unser Kind abholen und dann sowieso nur rumhetzen, rummeckern und am Ende des Tages die Stimmung im Keller ist, dann ist das eigentlich nicht wirklich besser, als wenn unser Kind noch eine Stunde länger mit seinen Freunden spielt und dann von einer entspannten, gut gelaunten Mutter abgeholt wird, die den Kopf frei fürs Kind hat und nicht tausend Sachen gleichzeitig machen muss. Blöd ist es, wenn die Freunde unseres Kindes alle früher abgeholt werden und unser Kind als letztes im Kindergarten wartet – dann sollte man vielleicht überlegen, ob es nicht an solchen Tagen mit einem Kindergartenfreund mit nach Hause geht und so eine schöne Verabredung hat! Wobei mein Sohn sich neuerdings sogar wünscht, dass er mal ganz bis zum Schluss im Kindergarten bleiben darf, damit er mal Exklusivzeit mit seiner Lieblingserzieherin hat! So kann es nämlich auch sein. Und da brauchen wir dann gar kein schlechtes Gewissen haben!
Du schreibst auch, wir sollen den Kindern mehr zutrauen: dass sie ihre Hausaufgaben allen erledigen, im Haushalt mit anpacken, dass sie ihre besten Erlebnisse im freien Spiel haben – denn dann haut es auch hin, dass ich als Mutter Haushalt und was sonst noch anfällt hinkriege, mit ihnen oder während sie sich eben allein beschäftigen. Packen wir die Kinder heute zu sehr in Watte, indem wir denken, wir müssen immer unterstützend zur Seite stehen?
Nathalie Klüver: Ja, das denke ich! Und das sehe ich immer wieder. Wir müssen unseren Kindern nicht alles abnehmen. Sie können viel mehr, als wir denken. Und wenn sie es nicht können, dann lernen sie es. Nur wie sollen sie es lernen, wenn wir ihnen nicht die Möglichkeit dazu geben?! Kinder wachsen an solchen kleinen Herausforderungen und lieben es, zu helfen. Die Aufgaben sollten natürlich altersgerecht sein – was Kinder, wann können, dazu gebe ich im Buch eine detaillierte Übersicht. Eines muss man natürlich abschalten, wenn Kinder im Haushalt oder beim Einkaufen helfen: den eigenen Perfektionismus. Dann sind die Bananenstücke im Obstsalat halt doppelt so groß oder halb so klein wie sonst -ist doch echt egal! Wir sollten das Kind dann auch machen lassen und nicht zu viel rumnörgeln.
Andererseits gilt: Wenn wir uns Familienzeit nehmen, sollten wir das bewusst tun, ohne ständige Blicke auf das Smartphone. Aber – wird das Smartphone da nicht zu schwarz gezeichnet? Und ist der Blick aufs Handy echt was anderes als das Zeitungslesen am Frühstückstisch, das ja manche
Erwachsene auch gerne machen?
Nathalie Klüver: So habe ich mich auch immer gerechtfertigt! Als Journalistin ist mir meine Tageszeitung zum Frühstück heilig. Aber das ist auch die einzige Mahlzeit, wo es am Tisch etwas anderes als Essen gibt. Und so habe ich auch den Smartphonegebrauch gerechtfertigt. Ist doch genauso, als ob ich jetzt in einer Zeitschrift blättern würde. Aber je mehr für “Afterwork-Familie” recherchierte und je mehr ich mit Experten sprach, wurde mir der Unterschied klar. Eine Zeitschrift oder ein Buch gehen nicht weiter, wenn wir sie zuklappen. Die Inhalte warten brav auf uns (es sei denn, der Gatte wirft die Zeitschrift ins Altpapier). Aber beim Smartphone dreht sich die Welt weiter. Das Internet wartet nicht darauf, bis mein Kind mir seine Gedanken zu Ende geschildert hat. Und das ist der entscheidende Unterschied: Wenn ich eine Zeitschrift lese und mein Kind kommt auf dem Spielplatz zu mir, um mir was zu erzählen oder was auf dem Klettergerüst zu zeigen, dann klappe ich die Zeitschrift zu und habe Zeit. Und das Wissen hat Einfluss auf mein Verhalten dem Kind gegenüber. Sitze ich aber am Handy und scrolle mich durch Instagram, dann habe ich im Unterbewusstsein das Wissen “was ich jetzt wohl wieder verpasse” – und das äußert sich in meinem Verhalten dem Kind gegenüber!
Wie machen die Handys das denn?
Nathalie Klüver: Das Handy und vor allem die sozialen Medien stimulieren ganz geschickt unser Gehirn – das hat was mit Belohnung und Erwartungshaltungen zu tun. Auch wenn wir diesen Mechanismus kennen und uns fest vornehmen, uns nicht stressen zu lassen – es gelingt nur den allerwenigsten und ist mir super viel Disziplin verbunden. Unser Unterbewusstsein hat uns da in der Hand und signalisiert die ganze Zeit “du verpasst was”, während wir unserem Kind beim Klettern zuschauen. Ich habe mich nach der Recherche selbst kritisch überprüft und dieses Verhalten an mir fest gestellt. Und obwohl ich den Mechanismus kenne, ertappe ich mich immer wieder dabei, in genau diese Falle zu tappen.
Heißt das, dass wir lieber ganz aufs Handy verzichten sollten?
Nathalie Klüver: Natürlich heißt das nicht, dass wir das Handy komplett aus unserem Alltag verbannen sollten. Das ist in den meisten Fällen nicht möglich und es hat ja auch seine guten Seiten! Aber wir sollten auf handyfreie Zonen achten und wenn wir uns unseren Kindern widmen, ganz für sie da sein. Wenn es mal nicht anders geht, weil wir eine wichtige Nachricht erwarten, dann sollten wir das unseren Kindern auch so kommunizieren. Die verstehen das! Was wir auch nicht vergessen sollten, ist unsere Vorbildfunktion: Wieso sollten unsere Kinder selbst weniger auf dem Handy herumdaddeln, wenn sie es doch von uns so vorgelebt bekommen?! Damit wir von Anfang an gute Vorbilder sind, sollten wir schon bei den kleinen Kindern damit anfangen!
TIPP: Nathalies Buch “Afterwork-Familie: Wie du mit wenig Zeit dich und deine Kinder glücklich machst” ist im Trias-Verlag erschienen und kostet 14,99 Euro.
Also das Buch find ich jetzt mal interessant. Kommt auf meine Wunschliste. (Gut das ich bald Geburtstag habe).
Ich fing den Artikel an mit lesen, weil ich das mit der Kita gelesen habe. Was für mich halt nicht geht. Die Kinder sind 10 Stunden am Tag in der Kinder und nur damit ich entspannter bin, lasse ich sie nicht noch länger dort (weiß gerade nicht ob es überhaupt geht…) Aber ich denke, wenn ich selbst dann eine Stunde eher Zeit hätte, da würde ich weniger unter Strom stehen.
Das mit dem Smartphone, entdeckte ich auch bei mir, dass ich gern mal schaute wenn mir langweilig wird, aber das habe ich überwiegend abgestellt. Viele meiner Freunde fragen schon, was los ist, weil ich manchmal erst am nächsten Tag antworte oder gar nicht mehr mitbekomme, was los ist. Aber ich finde das nicht weiter schlimm. Müssen sie halt etwas warten 🙂
Ich hole die Kinder auch eher gestresst ab – meine warten schon sehr darauf, obwohl sie meist kurz nach dem Mittagessen geholt werden. Aber es stimmt, vielleicht wär es oft einfacher, zumindest noch die Einkäufe zu erledigen….
Kinder später aus der KiTa holen… in Bremen weit ab von der Realität. Jedes Jahr wird mit der erneuten Anmeldung auch die Bescheinigung des Arbeitgebers über die Arbeitszeiten fällig. Angabe zu Wochenstumdenzahl, Arbeitbeginn, Arbeitsende, Stundenzahl am Tag und eventuelle Pausen… Wenn man von acht bis 12 Uhr arbeitet, dann bekommt man keine 6 Stunden Kinderbetreuung, sondern muss das Kind um 13 Uhr abgeholt haben. Dazu kommt, dass die KiTa oft nicht die Wunsch-KiTa nah dran ist, sondern lieber der Betreuungsplatz im weiter entfernten Stadtteil genommen wurde, bevor man – woe viele andere – gar keinen Platz hat.
Im glücklichsten Fall heißt es pünktlich Feierabend und im normalen Verkehr gegen 12:45 Uhr an der KiTa ankommen.
Gibt es wirklich irgendwo die Möglichkeit, das Kind einfach länger in der Betreuung zu lassen???
Ja, bei uns in der Gegend würde das klappen. Ist ja krass bei Euch. Ich frag mich gerade, was mit Selbstständigen wäre, die keine Bestätigung durch jemand anderen vorlegen können.
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