Nürnberg hat ein neues Christkind. Es handelt sich dabei um Benigna Munsi, die einstimmig für diese repräsentative Rolle gewählt wurde. Eine schöne Sache, das, finden alle – bis auf die besorgten Bürger … (Bild: Fabian Bujnoch / Stadt Nürnberg)
Der berühmteste Weihnachtsmarkt Deutschlands ist der Nürnberger Christkindlesmarkt. Er besteht seit dem 17. Jahrhundert. Seit 1933 wird er von einem Christkind eröffnet, das bis 1968 jeweils von einer professionellen Schauspielerin verkörpert wurde. Seit 1969 wählen die Nürnberger immer wieder ein Christkind, das aus Nürnberg kommen, zwischen 16 und 19 Jahre alt und mindestens 1.60 Meter groß und schwindelfrei sein muss. All das trifft auf Benigna Munsi zu, die 2002 in Nürnberg geboren wurde, gerne Theater spielt, Musik und Sport macht und gern reist.
Das einstimmige Votum der Jury für Benigna Munsi erläuterte der Pressesprecher der Stadt, Dr. Siegfried Zelnhefer: „Die Jury stand vor einer schweren Entscheidung. Alle sechs Mädchen haben sich überzeugend vorgestellt. Schließlich fiel die Wahl auf Benigna Munsi. Ihre frische, herzliche, empathische und unbekümmerte Art, ihre Ehrlichkeit und Offenheit haben die Jury beeindruckt. Wir sind sicher, dass sie die Aufgabe, auf alle Menschen zuzugehen, mit ihrer spontanen Art hervorragend meistern wird.“
Die AfD und die Angst vor dem Christkind
Benigna Munsi wird am Freitag, 29. November 2019, um 17.30 Uhr von der Empore der Nürnberger Frauenkirche aus den Prolog sprechen, mit dem in jedem Jahr der weltberühmte Nürnberger Christkindlesmarkt eröffnet wird. Sie wird alle Besucher im „Städtlein aus Holz und Tuch“ willkommen heißen.
Ein paar, finde ich, sollten sich nicht willkommen fühlen: die Münchner AfD, die ein Bild von Benigna veröffentlichte und dazu schrieb:
„Nürnberg hat ein neues Christkind. Eines Tages wird es uns wie den Indianern gehen.“
Geht’s noch? Ein Mädchen, das nicht dem deutschen Blondi-Ideal entspricht, sondern sympathisch brünett daherkommt, als Symbol für die Unterdrückung unserer supertollen Rasse herzunehmen?
Warum ist das Christkind weiblich?
Offenbar kann man diese Menschen nicht oft genug darüber aufklären, dass Jesus auch kein Karl-Heinz Huber aus Erfurt war. Erstaunlich fast, das kommentierten auch viele Menschen, dass die AfD sich bisher nicht daran gestoßen hat, dass das Christkind weiblich ist und kein Kerl wie Jesus. Eine gute Nachricht für alle schlechten Menschen ist hier: Das Christkind entspricht heute möglicherweise gar nicht mehr Jesus.
Männlich – im Sinne des Erfinders
Ursprünglich, im Sinne seines Erfinders, war es allerdings schon so. Reformator Martin Luther, der den Nikolaus als Gabenbringer entmachten wollte, machte Weihnachten zum Geschenkefest mit dem „heiligen Christ“ als den, der für die Geschenke sorgt. Aus diesem hat sich Historikern zufolge das „Christkind“ entwickelt, das sich in Darstellungen im Laufe der Zeit immer mehr zu einem engelsgleichen Wesen mit eher weiblichen Zügen entwickelt hat. Dem Jesuskind war es nur noch bedingt ähnlich. Vielleicht lässt sich die Weiterentwicklung des Christkinds sogar mit der Verwandlung vom Nikolaus in Bischofskluft zum Weihnachtsmann, dem Geschenkebringer im roten Bademantel, vergleichen. Wer daran glaubt, kann sich jedenfalls aussuchen, wen er in dem Wesen sieht, das ein bisschen Jesus, ein bisschen Engel und im Nürnberger Fall ein bisschen Benigna Munsi ist.
Zwei Jahre lang wird sie nun die Stadt Nürnberg als Christkind repräsentieren, und ich bin sicher, dass es die sympathische junge Frau sehr gut machen wird.
Übrigens: Ich habe ein Buch geschrieben, das am 6. November erscheint – den „Fettnäpfchenführer Weihnachten“. Darin löse ich in 24 Kapiteln viele Irrungen und Wirrungen rund um Advent und Weihnachten auf – und erkläre unter anderem, warum das Christkind weiblich ist und nicht unbedingt mit Jesus in der Krippe übereinstimmt. Ich freue mich, wenn Ihr Euch für mein Buch interessiert.