Am nächsten Tag würden wir in den Urlaub fliegen – nach Kreta. Die Vorfreude ist groß, jedenfalls bei uns Erwachsenen: Wir reisen wieder in das Hotel, in dem wir bereits vor zwei Jahren eine wundervolle Zeit hatten. Eigentlich sind wir keine „Wir machen immer am selben Ort“-Urlauber, aber dort, am Strand von Fodele, hat es uns so gut gefallen wie selten irgendwo! Hier haben wir das für uns perfekte Hotel gefunden, an einem traumhaften Strand, wo das Meer so herrlich ist – und die Kinderbetreuung im Haus ist so erstklassig, dass wir unsere Süßen kaum weglotsen konnten. Unsere sechsjährige Tochter aber hatte statt Vorfreude Angst – vor dem Flug. Ich kann es gut nachvollziehen, denn richtig geheuer ist mir der Gedanke daran auch nicht, dass wir in Kürze in einer Kapsel hoch oben am Himmel dahindüsen.
Meine eigene Flugangst war schon mal schlimm. Als ich eine junge Studentin war und mir Reisen etwa nach USA oder Tunesien finanziert hatte, hatte ich beim Fliegen immer mit dem Leben abgeschlossen. Ich erinnere mich mit Grauen an den Flug nach San Francisco, auf dem ich eine einzige Panikattacke hatte – von der ersten bis zur letzten Flugsekunde, die ganze Zeit hindurch. Nichtsdestotrotz bin ich immer wieder in Flugzeuge gestiegen – denn, kaum zu glauben: Mein Fernweh war noch stärker als die Ängste. Inzwischen aber habe ich sie besser in Griff, nur noch beim Starten schicke ich Stoßgebete gen Himmel in der Hoffnung, dass wir diesen für ein paar Flugstunden planmäßig folgen, um am Urlaubsziel wieder geordnet auf festem Boden zu landen. Was mir geholfen hat, die Ängste loszuwerden? Ich glaube, die Erfahrung, dass nichts passiert. Und Fakten: Das Zitat eines Piloten, der Weg zum Flughafen sei das riskanteste auf der ganzen Reise, geht mir glücklicherweise nicht mehr aus dem Kopf. Fliegen ist soooo sicher. Die tägliche Fahrt über die viel befahrene Straße zum Kindergarten ist wesentlich gefährlicher als der Flug nach Kreta oder Rhodos oder sogar nach Südafrika. Das muss ich mir vor dem Flug einfach jedes Mal sagen.
Fliegen ist sicher – aber unheimlich
Und meiner Tochter sag ich das jetzt auch. Es ist natürlich dennoch schwer für sie mit ihren sechs Jahren, etwas zu verinnerlichen, wenn das Gefühl etwas anderes sagt. Dennoch schläft meine Süße am Abend vor dem Flug gut ein, und am nächsten Morgen macht sie sich genau wie wir fertig für die Reise. Das Angst-Thema ist glücklicherweise weniger beherrschend als am Abend zuvor.
„Mama, bekomme ich zehn Stickerhefte, wenn wir abstürzen?“, fragt sie mich, als wir am Nürnberger Flughafen ankommen – und ich verspreche es ihr. Gleichzeitig verschweige ich, dass die Überlebenschance bei einem Absturz wohl eher gering wäre. Was ich weiter nicht sage: Würden wir einen Absturz dennoch überstehen, wäre ich so erleichtert, dass ich ihr auch 100 Hefte spendieren würde.
Dass unser Flugzeug eineinhalb Stunden später startet als geplant, macht mich nervös. Ich merke aber bei meiner Tochter, dass die Ungeduld, wann der Flug endlich beginnt, größer zu sein scheint als die Angst davor. Gut. Vielleicht versucht sie aber auch nur – wie ich – cool zu sein, denn erste Stoßgebete schicke ich nun bereits gen Himmel.
Dann geht es los. Wir dürfen einsteigen.
Flugangst – aber Spaß bei der Landung
Unsere Tochter – und auch der Sohn, von dem noch gar keine Rede war, weil er sich schlichtweg aufs Fliegen freut – dürfen mit unseren Handys spielen und beim Start Gummibärchen gegen den Ohrendruck kauen. Als das Flugzeug mit Riesentempo steigt, gestehe ich der Tochter, dass ich auch Flugangst habe, weil es halt ein unheimliches Gefühl ist – aber ich sage ihr, dass es immer gut gehe.
Als wir die Reiseflughöhe erreicht und atemberaubende Blicke auf die wundervollen Wolkengebilde sowie die landkartenkleine Erde haben, merken wir beide, dass die Angst verschwunden ist.
Bei der Landung in Heraklion werden wir ordentlich durchgeschüttelt. „Lustig“, sagt die Tochter.
„Jetzt kriegst du aber keine 10 Stickerhefte“, sage ich.
„Die hättest du mir eh nicht gegeben“, sagt sie.
„Hätte ich wohl“, denke ich und applaudiere dem Piloten. Ja, ich weiß: Businessflieger finden das Applaudieren bei der Landung sehr affig. Es wäre dasselbe wie für den Busfahrer zu klatschen, wenn er die Ziel-Station anfährt. Für mich aber ging es um mein Leben.
Liebe Nadine,
ich selbst habe zum Glück keine Flugangst, obwohl wir vor einiger Zeit einen Schicksalsschlag im Bekanntenkreis hatten. Daran war aber laut den Untersuchungen der Pilot Schuld, da er das Flugzeug in den Absturz steuerte. Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht mehr vorkommt. An der Technik etc zweifle ich eigentlich nicht. Es ist und bleibt ein sensibles Thema, dass viele Ängste birgt.
LG Christine