Bevor die Kinder kamen, arbeitete ich als Journalistin in München und war spezialisiert auf Themen aus Wirtschaft und Karriere. Ich schrieb Berufsratgeber vor allem für ein großes Online-Magazin, nahm an Workshops und Konferenzen teil und saß auch regelmäßig am Nachrichtenticker, um für Hunderttausende Leser die aktuellen News aufzubereiten. Es war spannend, nichts war mir fremd, von Firmenpleiten über Manager-Höhenflüge hin zu den wirtschaftlichen Konsequenzen des Ausbruchs des isländischen Eyjafjallajökull. Und dann erlebte ich mein eigenes Naturereignis. Ich wurde Mutter. Was ich seither fühle, ist unendlich intensiver als jeder Kick in der schillernden Welt des Nachrichten-Journalismus.
Als ich schwanger war, dachte ich ganz naiv: Ich mache ein Jahr Elternzeit, dann arbeite ich wieder im Schichtbetrieb des Online-Magazins, immerhin liebe ich meinen Job! Wir hatten schon einen Krippenplatz für meine Tochter. Beim Infoabend sagte die Erzieherin: „Vormittags kuscheln wir erstmal mit den Kleinen, das brauchen sie sehr.“ Bei mir legte dieser Satz einen Schalter um: „Wenn meine Tochter das braucht, dann gebe ich ihr das, nicht Sie.“
Elternzeit: Umzug auf Probe
Meine Freunde schüttelten den Kopf. Einen Krippenplatz in München aufzugeben? Das ist wie den Lottoschein mit dem Sechser darauf ins Altpapier zu knüllen. Wir gaben jedoch sogar München auf: Wir zogen ins beschauliche Bamberg. Mein Mann veränderte sich beruflich, und wir begleiteten ihn ins „Abenteuer Franken“. Ich hatte noch zwei Jahre Elternzeit übrig und damit die Option, zurück an meinen Arbeitsplatz zu gehen, sollte es uns in Bamberg nicht gefallen. Vielleicht wäre es sogar möglich, zu pendeln.
Kinder statt Karriere – auch als beruflicher Schwerpunkt
Und dann wuchs parallel zum Kind die neue Berufsidee heran. Eine Freundin sagte, meine Geschichten aus Schwangerschaft und Babyzeit seien zum Kringeln komisch – ich müsse das alles aufschreiben. Jaja, sowas hört man oft und sagt man oft selbst zu anderen. Ich fühlte mich aber dennoch geehrt und schrieb, auch aus Dokumentationszwecken, die Erlebnisse aus meinem Geburtsvorbereitungskurs auf. Wir mussten auf vier Beinen stehen und dabei muhen – dabei entspanne sich der Muttermund! Mir gefiel der Text und ich recherchierte, welcher Elternzeitschrift ich ihn anbieten könnte; bisher schrieb ich ja eher für Unternehmens- und nicht für Familienmanager. Und siehe da: Die Chefredakteurin von „Leben & erziehen“ kaufte die Geschichte ein. Und fragte, ob ich nicht gerne regelmäßig für sie schreiben möchte, als selbstständige Journalistin. Ach ja, jetzt, während der Elternzeit – eigentlich sehr gern!
Ein Buchvertrag!
Dann hatte ich plötzlich mehr Kolumnen beisammen. Entstanden sind diese immer, wenn meine kleine Prinzessin mittags schlief. Ich bot diese einem Literaturagenten an, doch der machte mir wenig Hoffnungen. Denn was tun gefühlt alle Journalisten in der Elternzeit? Genau, über ebendiese schreiben, da bin ich nicht die erste. Ich habe dennoch einen Buchvertrag bekommen. „Babyverrückt“ hieß mein Werk, und der Verlag fand es besonders lustig, frau würde sich darin wirklich wiedererkennen, jedenfalls, wenn sie schwanger ist. Für mich war dieser Buchvertrag der bisher tollste Job meines Lebens: „Babyverrückt“ zu schreiben, das hat mich viel mehr berührt als die Themen zuvor, es war ein Herzensprojekt. Bald folgten zwei weitere Babys: mein geliebter Sohn, aus Fleisch und Blut, und ein weiteres Buch, „Die Nabel der Welt“, über Babybräuche aus aller Welt.
Plötzlich Speaker!
Das zweite Werk schlug nochmals anders ein als das erste, zum Thema „Babytraditionen“ gab es in Deutschland kein vergleichbares Buch. Nach der Veröffentlichung erreichten mich irre viele Medienanfragen, und dann noch eine Anfrage der anderen Art: Ich sollte bei der Evangelischen Kirche in München einen Vortrag vor 100 Leuten aus Wirtschaft und Politik zum Thema „Babybräuche“ halten. Das war neu für mich. Normal arbeite ich ja nur hinterm Schreibtisch! Es war dennoch verlockend, ich nahm die Anfrage an. So konnte ich neue Kontakte knüpfen, mein Buch bewerben, nicht zuletzt die Freunde in München besuchen. Ich machte mich also auf den Weg zu meinem Vortrag, in der ersten kinderlosen Zugfahrt nach vier Jahren. Was für ein Abenteuer!
Und: Es lief. Das Publikum hatte Spaß. Ich wurde wieder gebucht, auch von anderen Veranstaltern. Und merkte immer mehr, dass dieses Thema „Babys“ und „Kinder“ nicht nur ein Elternzeitfüller war. Ich spüre: Es erfüllt mich mehr als die Karrierethemen zuvor. Und ich kann die Arbeit mit dem Thema als mein eigener Chef bedienen, als Selbstständige in Teilzeit, neben dem Muttersein. Ich kann mir die Arbeit gut einteilen und so viel oder wenig Aufträge annehmen, wie ich eben neben der Zeit mit den Kindern kann und will. (Was nicht heißt, dass ich mich nicht manchmal verkalkuliere und doch abends und am Wochenende arbeiten muss. Die Regel aber ist es glücklicherweise nicht). Besonders toll ist auch: Ich kann vieles mit ihnen vereinbaren. Wenn wir etwa für eine Zeitschrift Buggys testen, Brettspiele oder Babyphone – dann sind sie mit Feuereifer dabei.
“Mama und die Matschhose” als weiteres Standbein
Ich schuf mir neben dem Journalismus und den Büchern auch noch ein weiteres Standbein: meinen Blog „Mama und die Matschhose“. Würde er während der Elternzeit wachsen und angenommen werden, würde ich ihn mit viel Energie weitermachen wollen, sagte ich mir. Denn über Kooperationen mit Firmen, so las ich oft, könne ein Blogger Geld verdienen.
Meine Rechnung ging auf: Nach einem Jahr mit der „Matschhose“ gelingt es mir nun, ein paar hundert Euro pro Monat allein durch den Blog zu erwirtschaften; immer mehr Kooperationen trudeln in meinem E-Mail-Postfach ein.
Nur noch selbstständig
Für mich ist inzwischen klar, dass ich nach dem Ende der Elternzeit meine Anstellung in München kündigen und nur noch als Selbstständige arbeiten werde, vielleicht mit Hilfe des Gründungszuschusses. Ich will nicht mehr in Schichtbetrieben der Medienwelt arbeiten, ich mache das, was zu unserer Lebenssituation passt: als mein eigener Chef. Prima ist: Wenn ein Kind krank ist, muss ich mich nicht mit einem Arbeitgeber absprechen, ob ich denn fehlen könne. In dieser Lebensphase ist es der für unsere Familie denkbar beste Weg, wenn ich flexibel arbeite, selbstbestimmt. Es ist vergleichsweise entspannend, und beruflich erfüllend. Was für ein Glück, diese Berufung gefunden zu haben. Und wer weiß: Vielleicht will ich irgendwann wieder über Karriere- und Wirtschaftsthemen schreiben. Wenn es wieder zu mir und zu unserem Leben passt.
Dieser Beitrag entstand für den Award #DeinWeg von Ergo, mehr Infos dazu findet Ihr hier.
Liebe Nadine
Klingt super interessant dein Weg und du scheinst genau die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Glückwunsch.
Auch ich hatte mir in der Schwangerschaft einen Plan überlegt. Ich bleibe ein Jahr daheim, dann kommt der Kleine in die Krippe und ich gehe wieder arbeiten. Erst mal ein Jahr Halbtags und dann wieder Vollzeit. Mit Schichtdienst, ebenfalls in einem Verlag. Es ist zwar nicht immer leicht, aber für uns ist es machbar und wir drei sind glücklich.
LG Anke
Liebe Nadine! Ich Danke dir von Herzen für diesen Beitrag. Er ist so inspirierend und erfrischend und gibt einfach Mut, weiter dran zu bleiben. Du bist echt wunderbar. Alles Liebe weiterhin, Julia
Liebe Julia, Du bist ja süß, vielen Dank für Deine lieben Worte! Ich glaube, eine Garantie, dass alles immer so läuft beruflich wie gerade – die gibt es nicht. Aber wenn frau sich manchmal neu erfindet und mit viel Engagement und Spaß arbeitet, wird sich vieles im Leben ergeben. Selber wunderbar! 😉 Liebe Grüße! Nadine
Vielen Dank für deinen inspirierenden Artikel, der mir in meiner aktuellen Lage sehr viel Mut schenkt. Du zeigst mir auf, dass es sich lohnt, seinen Weg mal zu verlassen, um sich sowohl beruflich als auch persönlich mal neu zu (er-) finden. Ich bewundere, was du alles geschafft hast. Ich selber bin davon noch sehr weit entfernt, aber du schenkst mir gerade die Hoffnung, dass es funktionieren kann … Herzliche Grüße
Nadine, toller Beitrag und eine Geschichte, die berührt. Ich finde es toll, wie du deinen Weg nach und nach gefunden hast. Entgegen der gängigen Haltung und Meinung anderer.
Seit ich selbst Mutter bin weiß ich nur zu genau, was es bedeutet Kinder zu haben und gleichzeitig den eigenen beruflichen Weg weiter zu gehen.
Ich drücke dir die Daumen für den Award bei Blog Ergo.
Herzliche Grüße
Silke
Liebe Silke, ich danke Dir so sehr für Deine lieben Worte! Total nett, das berührt mich wiederum sehr! Alles Liebe, Nadine
Liebe Nadine,
zwar habe ich Deinen Artikel erst jetzt gefunden – doch er ist ein wahrer Glücksfund! Du machst mir wirklich Mut, meinen eigenen Weg zu gehen, mit dem Blog aber auch mit allem anderen. DANKE!
Viele liebe Grüße
Deine Küstenmami