Wer Freundebücher hat, braucht keine Feinde mehr: Warum ich sie nicht leiden kann

Ehrlich gesagt bin ich kein Freund der Freundebücher, die wild im Kindergarten kursieren: Ich fülle sie im Namen meiner Tochter und meines Sohnes quasi am Fließband aus, denn bei zwei Kindergartenkindern, die durch das offene Konzept der Betreuungseinrichtung jeweils gefühlt 100 Freunde haben, habe ich einiges zu tun. Wenn ich das Ausfüllen eines neu angekommenen Buches nicht über Nacht erledigt habe, werde ich am nächsten Morgen sogleich von mir unbekannten  Kindergartenkindern abgemahnt, die es sofort wiederhaben wollen. Ehrlich, ich kann meine Zeit auch lustvoller vergeuden.
Als meine Tochter zum ersten Mal ein Freundebuch aus dem Kindergarten mit nach Hause bekommen hat, hatte ich mich riesig für sie gefreut: Erstmals ein Freundebuch ins Fach gesteckt zu bekommen, ist ein bisschen wie die erste Einladung zu einem Kindergeburtstag – es ist doch ein Zeichen, dass meine Tochter beliebt ist, oder, wenn sie sich eintragen darf? Aber, äh, Moment, da kam es mir: Sie kann ja selbst noch gar nichts reinschreiben. Das muss ja ich machen! Sei’s drum, dachte ich beim ersten Mal noch: Ich stelle ihr einfach die Fragen aus dem Buch, sie antwortet, und ich schreibe das auf.

Hobbys: Fernsehschauen

Das ging dann so:
„Schatz, was sind deine Hobbys?“
„Mama, was sind Hobbys?“
„Was machst du denn gerne?“
„Fernsehschauen.“
„Hm, nein, lass uns was anderes überlegen. Du malst und bastelst doch gerne, und gehst ins Ballett. Soll ich das schreiben?“
„Ja, und Fernsehschauen.“

Gute Wünsche? Nicht für jeden!

Den ersten Eintrag haben wir also gut hingekriegt. Dann kam tags darauf das zweite Freundebuch. Und dann noch eins und noch eins. Ich glaube, ich habe jetzt schon in 40 Büchlein „Fernsehschauen und Ballett“ als Hobbys eingetragen, inzwischen analog beim kleinen Bruder in ebenfalls mindestens 20 Bücher „Fernsehschauen und Spielen“ – und inzwischen finde ich: Freundebücher sind die Pest. Totale Zeitfresser. Und authentisch bestimmt nicht. Oder bin ich die einzige Mutter, die schummelt und schreibt, dass ihre Tochter dem Freundebuchbesitzer „Spaß und immer gute Freunde“ fürs Leben wünscht statt, wie die Tochter eigentlich sagte: „Nichts, weil wir keine Freunde sind“?

Freundebuch-Einträge als pure Imagekampagnen?

Ich vermute zumindest, dass Freundebücher für Kindergartenkinder reine Eltern-Sache sind und man zwischen den Zeilen der ausgefüllten Fragebögen gut deren persönliche Image-Kampagne herauslesen kann. „Übrigens, wir haben neulich in Südafrika Urlaub gemacht. Meine hochbegabte Tochter macht Ballett und ist in der musikalischen Früherziehung. Sie löst schon Puzzles mit 1000 Teilen.“
Überhaupt, eine Vierjährige zu fragen, was ihr Lieblingsbuch ist, ist genauso sinnvoll wie die Farbe eines Chamäleons zu bestimmen: Es kann sich sekündlich ändern. Dass manche Aussagen mit einem Fingerabdruck unterschrieben werden müssen, erinnert mich zudem an Rasterfahndung – gefällt mir nicht. Außerdem unterschreibt meine Tochter lieber mit ihrem Namen, das kann sie längst. Manchmal wurde zwar ein „Antiona“ draus, aber viele andere Kinder in ihrem Alter können ihre Namen noch in keiner Weise schreiben (hähä).

Mein Lieblingsbuch? Das Freundebuch!

Bei uns ist vor ein paar Monaten der SuperGAU passiert. Meine Tochter hatte ein Heidi-Freundebuch, das leider im Kindergarten verlegt wurde. Sie wollte es einer ihrer besten Freundinnen geben, und dann nochmals rumzeigen; dabei ging es verloren. Die Erzieherin hatte es mal im Garten gesehen, eine andere in der Turnhalle. Dann war es weg, und meine traurige Tochter forderte ein bisschen zu salopp: „Dann kauf mir doch ein Neues.“ So einfach ist das aber nicht, finde ich. Doch dann tauchte es wieder auf, mit Wasserschaden. Eine Kindergartenfreundin wollte so gern auf eigene Faust reinschreiben, und hat es einfach mitgenommen. Dann kam Wasser drauf, und es war ihr unangenehm, es zuzugeben. Dann doch, und wir haben es einmal durchgenässt wieder bekommen. Ein neues? Bekommt meine Tochter natürlich. Denn das, was ich immer als ihr Lieblingsbuch in andere Freundebücher schreiben musste, war: „Mein Freundebuch!“. Dafür lohnt sich dann tatsächlich alles …

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Beim Geschwisterkind ist alles anders.
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4 Kommentare bei „Wer Freundebücher hat, braucht keine Feinde mehr: Warum ich sie nicht leiden kann“

  1. Moin,
    ja, so ähnlich erging es uns…
    Unsere Große (jetzt 8) wollte damals gerne ihre Freunde aus dem alten Kindergarten nicht ganz verlieren und wollte gerne ein Freundebuch… Sie ließ da noch nur ihre Freunde reinschreiben. Das waren 5 Kinder… Im neuen Kindergarten gab sie es nach 2 Monaten ihren neuen Freunden mit. Als die alle reingeschrieben haben, hat sie die anderen Kinder auch reinschreiben lassen, weil sie mit denen ja auch manchmal spielt…

    Für meinen Geschmack ist das irgendwie sinnverfehlt… Denn was Freundebuch heißt, sollte dann auch Freunde beinhalten… Aber wie schafft man das seinen Kindern zu vermitteln? Keine Ahnung. Ich habe mich mal mit ihr hingesetzt und sie einfach gefragt, wer denn ihre Freunde sind, mit wem sie gerne spielt, Zeit verbringt. Ob es etwas gebracht hat, weiß ich noch nicht ;-)…

    Liebe Grüße
    Yvonne van Brakel

  2. Wir sind gerade umgezogen und ich freue mich, dass meine Kinder jeweils ein Freundebuch haben, in das ihre Kindergartenfreunde eingetragen sind. So können wir es immer mal zusammen anschauen 🙂

  3. Das Freundebuch von Leon wurde leider von irgendeinem Elternteil (oder Kind) eingesteckt und nicht mehr wieder zurück gegeben … wie schade! Es haben schon so viele Kinder was Tolles reingeschrieben.

    1. Total traurig, sowas ;-(

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