Antonia wiegt eine Puppe, und danach hält sie diese über ein offenes Feuer. Doch keine Sorge: Es handelt sich hierbei nicht um die Zündelei eines 4-jährigen Mädchens, das Ganze verfolgt einen tieferen Sinn.
Es ist nämlich so, dass die Aborigines Australiens ihre Neugeborenen in Rauch baden, weil er den Babygeruch überdeckt. Das ist zwar einerseits schade, andererseits aber erreichen die betörenden Babydüfte dadurch nicht die feinen Nasen der bösen Geister. Im Gegenteil, die dunklen Mächte werden auf diese Weise ferngehalten. Antonia ahmt mit dem Rauchbad der Babypuppe also die Babypflege der Aborigines nach, im Berliner Mach-mit-Museum für Kinder. Hier besuchen wir die Ausstellung „geboren & willkommen“ und dürfen, um die hier beschriebenen Babyrituale aus aller Welt richtig zu be-greifen, auch selber Hand anlegen.
Tempel für pädagogisch wertvollen Spaß
Dieses Museum im für Latte-Macchiato-Mütter sagenumwobenen Prenzlauer Berg ist einzigartig. Es befindet sich in der Senefelderstraße 5, in den Hallen einer ehemaligen evangelischen Kirche. Das erkennt man noch an den beeindruckenden Kirchenfenstern sowie an ein paar Malereien, die die hohen Wände zieren. Jetzt ist das ehemalige Gotteshaus ein Tempel für pädagogisch wertvolles Kindervergnügen. Anfangs habe ich nicht kapiert, dass es hier tatsächlich erwünscht ist, dass die jungen Museumsbesucher die Schuhe ausziehen und sich wie zu Hause fühlen: dass sie alles, was herumsteht, anfassen, ausleeren, beklettern dürfen. Aber hier dürfen, ja sollen sie die Ausstellung wirklich be-greifen.
Im jährlichen Wechsel gibt es in den Räumen eine Ausstellung zu einem großen Thema. In diesem Jahr dreht sich hier alles um die Geburt eines Kindes und um Begrüßungsrituale aus aller Welt. Das ist irre spannend für mich, weil ich ja mit „Die Nabel der Welt“ ein Buch genau zu diesem Thema geschrieben habe. In den Vorjahren waren indes komplett andere Ausstellungen dran: Es gab eine Schau zu Paul Klee, den Römern, zum Sammeln (was hat die Goßelterngeneration gesammelt, was sammeln die Kinder von heute?), zu Märchen – all das wurde genauso anschaulich aufbereitet wie das aktuelle „geboren & willkommen“-Thema.
Ausflug in den Mutterleib
Nach dem Rauchbad schlüpfen wir in eine Höhle, die aussieht wie ein Babybauch. Darin sehen wir in Glaskästen, wie menschlich ein Fötus im Mutterleib bereits im Alter von 12 Wochen aussieht; und auch im 6-Wochen-Stadium ist schon einiges zu erkennen. Dann wandern wir durch einen überlebensgroßen Geburtskanal und hören ein Herz schlagen – genauso wie es das Baby im Mutterleib tut.
Und noch viel mehr lernen wir: Warum man „Affenliebe“ sagt. Weil nämlich Affenmütter ihre Kinder drei bis vier Jahre lang herumtragen. Dass ein Baby vor der Geburt 400 Milliliter Fruchtwasser pro Tag trinkt. Dass pro Sekunde 1,8 Menschen auf der Welt sterben, und zugleich 2,5 Menschen geboren werden.
Das Fest zur Frisur
Überhaupt, der Geburtstag. Wir lernen, dass er nicht überall auf der Welt groß begangen wird. In der Mongolei etwa wird stattdessen traditionell der Tag gefeiert, an dem das Kind den ersten Haarschnitt verpasst bekommen hat. Weil der Geburtstag aber bei uns eine große Rolle spielt, dürfen die Kinder im Museum einen kleinen Kuchen aus Gips backen und ihn mit goldener Farbe bemalen. Da passt nun eine Geburtstagskerze darauf – eine solche werden wir beim nächsten Kindergeburtstag auch in Erinnerung an diesen tollen Museumstag heute anzünden.
Die Kinder dürfen hier auch malen, sich in einem riesigen Kletterlabyrinth austoben und in einem Spiegelkabinett staunen.
Nichts verpassen!
Wir sind wirklich begeistert von diesem Haus. Nicht nur, weil es gigantisch für mich ist, die in meinem Buch beschriebenen Babytraditionen als Ausstellungsstücke zu sehen. Es ist einfach ein einzigartiges Museum, in dem wir uns gerade als Familie willkommen fühlen. Es ist interessant, kurzweilig, lehrreich (aber ohne Zeigefinger), lustig. Wer mit Kind in Berlin wohnt oder Berlin besucht – der muss da hin. Sonst verpasst er was, versprochen.
Weitere Infos: www.machmitmuseum.de
Klingt wirklich sehr interessant und von dem Museum habe ich noch nie etwas gehört. Falls wir mal mit Kind nach Berlin kommen, dann wäre das eine Option. Vielen Dank jedenfalls für den Tipp.
LG Anke